Stallwächterparty der Baden-Württembergischen Landesregierungin Berlin – 2016

Von Sebastian Bernklau // Schwarzwälder Bote

Für die Schule arbeiten und dabei Promis wie Angela Merkel, Wolfgang Schäuble oder Cem Özdemir treffen. Was zunächst einmal ziemlich unwahrscheinlich klingt, wurde jetzt für 65 Schüler aus Calw Realität: bei der Stallwächterparty des Landes Baden-Württemberg in Berlin.

Tiergartenstraße in Berlin-Mitte. Kurz vor 16 Uhr. Noch einmal wird das Hemd gerichtet, die Schürze zurecht gezupft, die Frisur kontrolliert. Dann gibt Michael Niedoba das Signal und 65 Schüler der Johann-Georg-Doertenbach-Schule aus Calw machen sich zusammen mit ihrem Schulleiter auf zu ihrem heutigen Arbeitsplatz: der Vertretung des Landes Baden-Württemberg in Berlin.

Dort feiert das Land an diesem Abend seine Sommerparty, die unter dem Namen „Stallwächterparty“ längst zu den Party-Institutionen im politischen Berlin gehört. Das zeigt sich auch an der riesigen Gästeliste. 2400 von ihnen haben sich angemeldet. Immer wieder finden sich darunter auch die Mächtigen Berlins: Bundes- und natürlich auch Landesminister, Partei- und Fraktionsvorsitzende, auch ehemalige Bundespräsidenten waren schon da. Und Kanzlerin Angela Merkel. Doch bei der ist es schon eine ganze Weile her. Ob sie an diesem Abend auftauchen wird, steht in den Sternen – immerhin stehen wichtige Verhandlungen mit den Ministerpräsidenten auf der Agenda.

Gleich den Ort des Geschehens inspiziert

All das interessiert die 65 Schüler aus dem Nordschwarzwald in dem Moment, in dem sie die Botschaft des Landes betreten, nur wenig. Denn vor ihnen steht eine Mammutaufgabe. Die angehenden Köche, Systemgastronomen, Restaurant- und Hotelfachleute sind an diesem Abend für den Service zuständig. Dass Schüler aus Calw für diese Aufgabe ausgesucht werden, hat inzwischen schon Tradition. Auch bei anderen Landespartys sind immer wieder Schüler aus Calw mit von der Partie.

Offiziell ist der Dienst bei der Stallwächterparty ein praktisches Schulprojekt, das drei Tage Theorie in Calw ersetzt – das Einverständnis der Ausbildungsbetriebe vorausgesetzt. Ein guter Deal für die Nachwuchskräfte, so scheint es. Doch der Trip nach Berlin hat es in sich. Am Tag vor der Party geht es mit dem Bus aus dem Nordschwarzwald in die Bundeshauptstadt. Kaum dort angekommen, inspizieren die angehenden Fachkräfte gemeinsam mit Schulleiter Niedoba, dem Leiter der Hotel & Gastabteilung Jürgen Höss und den drei Fachlehrern Erik Schnauder, Annelore Edlbauer-Schnöder und Helmut Roth den Ort des Geschehens.

Und der ist groß und auch unübersichtlich, die Laufwege für die Serviceleute sind lang, die Essens- und Trinkstationen groß an der Zahl. Dazu die 2400 Gäste, die das Gebäude an dessen räumliche Grenzen bringen. „Das wird eine echte Herausforderung“, weiß Schulleiter Michael Niedoba, bevor überhaupt ein Party-Gast die Botschaft betreten hat. Doch er ist optimistisch, dass seine Schüler das alles packen. „Eine tolle Gruppe“, schwärmt er schon im Vorfeld der Party.

Am nächsten Morgen folgt zunächst einmal Entspannung: eine Stadtrundfahrt im eigenen Bus, unter anderem zum Checkpoint Charlie, zur Eastside Gallery und zum Brandenburger Tor. Dann geht es noch mit dem Boot durchs Regierungsviertel, ehe die Gruppe zurück in ihr Hostel am Hackeschen Markt gebracht wird. Dort werfen sich die Schüler in Schale, bereiten sich auf diesen besonderen Abend vor.

Passend zum Motto „Bollywood“ gekleidet

Um 16 Uhr stehen sie vor der Vertretung bereit, werden kurz darauf vom Ersten Landesbeamten aus Calw, Frank Wiehe, und dem Hausherrn, dem Bevöllmächtigten des Landes beim Bund, Volker Rathmann, auf der Dachterrasse des modernen Gebäudes freudig und freundlich begrüßt. Nach dem Gruppenbild rückt die heiße Phase immer näher. Inzwischen sind die Schüler passend zum Motto „Vom Bodensee bis Bollywood“ gekleidet – die einen indisch, die anderen maritim. Jetzt geht es nur noch darum, einzuteilen, wer an welchem Ort des Hauses Dienst tut, wer für was zuständig ist.

Dann trudeln langsam die Gäste ein, Landesminister wie Franz Untersteller und Winfried Hermann, Thomas Strobl und natürlich auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Viel grüne Prominenz findet den Weg in die Landesvertretung: die Parteichefs Simone Peter und Cem Özdemir, Fraktionschef Anton Hofreiter. Auch Bundesumweltministerin Barbara Hendricks von der SPD und Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) sind da. Irgendwann gesellt sich auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zur Gästeschar. Und irgendwann schneit sie tatsächlich auch noch herein – locker, gut gelaunt und immer umgeben von ihren Bodyguards: Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie nimmt im Garten bei den anderen Politpromis Platz. Calwer Schüler kümmern sich wie selbstverständlich um den hohen Gast, haben mit ihr in dem Moment aber fast schon Mitleid, wie sie nach der Party berichten. Denn: „Merkel hatte praktisch keinen Moment der Ruhe“, hat auch Michael Niedoba beobachtet. Die Kanzlerin wird auch bei der Party von vielen in Beschlag genommen. Für ein wenig Wein und Essen bleibt dann aber doch noch Zeit. Aber nach gut einer Stunde ist die mächtigste Frau des Staates auch schon wieder weg.

Ein paar Stunden nach der Party geht es zurück

Die Arbeit der Schüler ist da noch lange nicht zu Ende, bis 1 Uhr in der Nacht dauert ihr ganz offizieller Dienst für die prominenten und weniger prominenten Gäste der Stallwächterparty, die auch um 2.30 Uhr noch nicht zu Ende ist. Viel Schlaf bekommen die Schüler aus Calw in dieser Nacht nicht, denn schon um 7.30 Uhr am gleichen Morgen macht sich der Bus mit der Gruppe wieder auf den Heimweg in den Nordschwarzwald – mit im Gepäck nicht nur die Uniformen, sondern auch eine ganze Menge Erinnerungen und Eindrücke, die die Nachwuchskräfte lange nicht vergessen dürften.

Der Begriff „Stallwächterparty“ als Name für das politische Sommerfest der baden-württembergischen Landesvertretung wurde in den 1970er Jahren vom damaligen Bevollmächtigten des Landes beim Bund, Eduard Adorno, geprägt. Die Stallwächterparty ist gewissermaßen ein Treffen derer, die während der politischen Sommerpause die „Stallwache halten“. Für Akteure aus Politik, Medien, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft hat sich die Veranstaltung in den letzten Jahrzehnten zu einer der wichtigsten Kommunikationsplattformen des politischen Sommers in Berlin entwickelt.